Herzfrequenz
Verdammt.... Es läuft nicht. Egal wie oft du die Welle auf der Hausrunde hochfährst und egal wie du sie angehst... – deine Reifen scheinen wie angeklebt.
Dabei sieht sie nach gar nach nichts aus, diese hinterlistige gemeine Steigung, die eigentlich nicht mal eine wirklich richtige Steigung ist... eine leichte Welle eher...
Doch egal wie du es angehst. Mit Schwung, hoher Trittfrequenz, immer schön hinunterschaltend, oder -ganz anders- mit zusammengebissenen Zähnen, roher Kraft und viel eisernem Willen, nach dem Motto –diesem Fiesling zeige ich es!- ... .. nun... egal wie... schon bald drehen die Beine weder wie ein Uhrwerk, noch kraftvoll rhythmisch, sondern eher wie ein Löffel in einem immer zäher werdenden Brei, ruckartig und langsam. Hinunterschalten im Sekundentakt ist und wird immer wirkungsloser, der Brei lässt sich einfach nicht verflüssigen, derweil das Herz rast und fast durch den Brustkorb springt. Auf den Geschwindigkeitsmesser wagt man kaum zu gucken und die erlösende Kuppe ist zwar nur wenige 100 Meter, aber eine gefühlte und demütigende Ewigkeit weit weg. Und dort angekommen ist dann die Luft so richtig draussen. Die Arbeitsgeräte verweigern ihren Dienst und wollen in der leichten Abfahrt einfach nur noch hängen während man den Mund weit offen förmlich nach Luft japst.
Nicht in Form?
Schwer zu sagen. Weder die gefühlte Anstrengung noch der Tacho werden das verraten können. Rücken- oder Gegenwind, Bodenbeschaffenheit, Kleidung und Temperatur oder auch der Reifendruck, machen es unmöglich Vergleiche anzustellen und von der gefühlten Anstrengung und/oder Geschwindigkeit auf die jeweilige Fitness oder Leistung zu schliessen.
Selbst der Trainingspartner ist kein zuverlässiger Gradmesser: der ist zwar heute scheinbar leichtfüssig davongefahren, aber was du nicht wusstest: er war gerade in Höchstform, ausserdem topmotiviert und hat sich zudem fast bis zum Umfallen auskotzen wollen und können.
Natürlich widerspiegelt die Herzfrequenz den Grad der Anstrengung und darum fährt auch fast jeder mit einem Pulsgurt und entsprechendem Gerät herum. Doch die Herzfrequenz ist eine launische Grösse und zudem hat sie nicht 1:1 etwas mit Fitness zu tun.
Wer kennt sie nicht, die Tage, an denen man den „Puls überhaupt nicht hoch bringt" und zwar gefühlt schlecht aber trotzdem gemäss Tacho recht „zügig" unterwegs ist? Während an anderen Tagen eine zwar zügig aber nicht übermässig schnell gefahrene Strecke den Puls ins Nirvana befördert, ohne dass man sich notwendigerweise da befindet?
Fakt ist, dass die Herzfrequenz von verschiedenen Faktoren abhängig ist und dass dies natürlich zu berücksichtigen ist, wenn das Training um die –z.b. durch einen Laktatstufentest oder einen Conconi-Test bestimmten Bereiche- herum plant (was mit etwas Erfahrung und Gespür durchaus möglich ist).
Welches sind denn die Einfluss- respektive die „Störfaktoren"?
Hier ein paar Beispiele:
- die Herzfrequenz hängt natürlich von der „verlangten" Leistung im Hinblick auf die mobilisierbaren Energielieferanten ab:
- Bei gleichbleibender Leistung geht die Herzfrequenz hoch, wenn die Kohlehydratspeicher zusehends leer werden. Grund ist, dass Fett mehr Sauerstoff zur Verbrennung benötigt. Dadurch muss mehr Sauerstoff in die arbeitende Muskulatur transportiert werden. Dies ist nur mit einem erhöhten Blutfluss, sprich erhöhten Herzfrequenz möglich.
- Eine typische Situation im Training wäre diese: Training ohne Kohlehydratzufuhr unterhalb der anaeroben Schwelle. Trotz konstanter Leistung geht der Puls langsam hoch und man verlässt unter Umständen den empfohlenen „Trainingsbereich" ohne dass dies von der Trainingsintensität her (Leistung) her „notwendig" wäre.
- die Herzfrequenz hängt ist von der Temperatur abhängig: Schwitzen erfordert einen erhöhten Blutfluss in der Haut. Wird der Blutfluss in der arbeitenden Muskulatur konstant gehalten, muss die Herzfrequenz steigen (Trainingssituation wie oben, v.a. beim Indoor-Training)
- Dehydrierung: Ist zu wenig Flüssigkeit im Körper, wird das Blut „dickflüssig". Der Transport von Sauerstoff, Energielieferanten, Elektrolyten und Enzymen zum Ort des Geschehens, wie auch der Abtransport der Abfallprodukte sind verlangsamt. Soll die Leistung gleich bleiben, muss die Herzfrequenz erhöht werden.
- die Herzfrequenz hängt vom Aktivitätszustand des Körpers abhängig: Unter einem Adrenalinschub hat man bekanntlich einen höheren Puls. Ähnlich reagiert der Puls (bei Empfindlichen) unter Einfluss von Koffein.
Nach einer Ruhephase (1-2 Tage kein Training") lässt sich der Körper ganz speziell gut aktivieren. Hohe Pulswerte sind dann ganz normal.
Bei längeren Trainingszyklen ohne Ruhephasen gewöhnt sich der Körper einerseits an die aktivierenden Reize, andererseits werden die aktivierenden Signalstoffe sparsamer ausgeschüttet oder gehen langsam zur Neige: „Man bringt den Puls nicht mehr hoch".
- Ein weiterer „Störfaktor" für das Training, speziell beim Intervalltraining ist, dass die Herzfrequenz langsam (zu langsam) reagiert: Erhöht man die Leistung sprunghaft, hinkt die Herzfrequenz hinterher. Trainiert man nach „Herzfrequenzbereich" so ist allenfalls die Leistung zu Beginn eines Belastungsintervalls viel zu hoch und anschliessend zu tief. Sinnvolle gesteuerte Intervalle lassen sich so fast nicht fahren, bei längeren Intervallen ist der Effekt zwar deutlich sichtbar, aber natürlich weniger störend.
Leistung
Das Hauptproblem mit der Messung der Herzfrequenz ist, dass die Herzfrequenz ein (unsicheres) Mass ist für den INPUT in das System zur Leistungserzeugung ist: Kurbel, resp. Rad. Die Herzfrequenz misst aber nicht den OUTPUT, die Leistung. Ein anderes Wort für Leistung ist „Watt".
Ohne dass du jetzt dein altes Schulphysikbuch suchen und aufschlagen musst. Unter Leistung versteht man in der Physik wie in der Arbeitswelt in etwa das Gleiche, in beiden Fällen ist es nämlich wieviel ARBEIT pro Zeiteinheit verrichtet wird.
Beim Fahrradfahren bewegt man sich mit Muskelkraft auf einer Strecke. Die Arbeit ist daher definiert als das Produkt von der für die Bewegung eingesetzten Kraft und der zurückgelegten Strecke und die Leistung bricht diese Arbeit auf 1 Sekunde herunter (eingesetzte Kraft x Strecke pro Sekunde). Gemessen wird die Leistung als „WATT".
Die Leistung von 1 Watt bedeutet über die Strecke von 1 Meter für 1 Sekunde die Kraft von 1 Newton (ca. 10kg) aufzuwenden.
Sehr abstrakt?
Ein etwas „griffigerer Vergleich":
Wie bereits in früheren Artikel beschrieben ist eine wichtige Kenngrösse für die Geschwindigkeit am Berg die Leistung pro kg Gewicht, das den Berg hinaufbefördert werden muss. Die Tabelle zeigt, dass Spitzenwerte von Profiradfahrer während einer ca 10km langen Steigung (Alpe d'Huez) bei durchschnittlich ca. 400 Watt und ca. 6Watt/kg lagen. Mit dieser Leitung lassen sich ca. 20 Energiesparlampen zum Leuchten bringen, oder 4 LCD Fernseher laufen zu lassen, oder den Staubsauger im Sparmodus über den Teppich fahren lassen und dies solange, wie die Herren die Alpe d'Huez hinauf brauchten. Alles klar?
Falls du dir mit meinem Leistungsrechner für deine Lieblingssteigung eine Leistung von 3.5 Watt/kg errechnet hast musst du dir den Staubsaugerbetrieb leider abschminken. Trotzdem reichte es (für eine Stunde, falls du die Leistung so lange durchgehalten hast) wenn du 60kg schwer bist immerhin 10 Energiesparlampen und 2 LCD Fernseher 1 Stunde lang am Leben zu erhalten.
Letztendlich will man auf dem Fahrrad den OUTPUT, die Leistung verbessern. Also im Stande sein mehr Arbeit pro Sekunde leisten zu können.. Das heisst mehr Strecke (d.h. mehr Geschwindigkeit) und mehr Kraft. Weil Strecke UND Kraft die die zu vergrössernden Parameter sind, resp. die daraus kombinierte Grösse die "Leistung", macht es Sinn, diese zu messen und an Hand dieser, die Trainingsbereiche zu definieren.
Da die Herzfrequenz (als Inputgrösse) unter bestimmten Bedingungen "ganz anständig" mit dem Output korreliert, und da die Messung der Leistung für den Normalverbraucher bisher technisch etwas aufwändig war, wurde die Herzfrequenz ein prominenter Steuerungsparameter für das Radtraining im Breitensport.
Doch Watt ist DIE unbestechliche Grösse. Watt bleibt Watt, egal ob es Hunde vom Himmel regnet oder ob du 20 Espressi getrunken hast.
Oder mit den Worten von Wolfram Kurschat, dem „Meister im Wattdrücken des Mountainbike Sports", studierter Apotheker und bekannt als Perfektionist:
„Wenn ich meine Trainingsrunde Vollgas abfahre, spielen das Wetter, der Boden oder meine Herzfrequenz überhaupt keine Rolle. Ich gebe erst einmal einfach Vollgas, setze mich dann hin und werte aus. Die Wattzahlen sind unbestechlich und zeigen mir wie fit ich wirklich bin. Manchmal fühle ich mich im Training wirklich richtig mies. Erst beim Auswerten stelle ich fest, dass ich die besten Werte bis dato gefahren bin".
Wattmessung relativiert und lernt einen ein „neues Körpergefühl".
Messung und Geräte
Wie wird denn die Leistung gemessen?
Wie schon gesagt: Leistung ist das Produkt von der für die Bewegung eingesetzten Kraft und der zurückgelegten Strecke auf 1 Sekunde heruntergebrochen.
Leistung (WATT) = Kraft (Newton) x zurückgelegte Strecke (Meter) / Zeit (Sekunden)
Zeit und zurückgelegte Stecke werden mit jedem Geschwindigkeitsmesser bestimmt. Wie aber misst man die eingesetzte Kraft?
Kraft wird z.B. mit Dehnungsmesstreifen oder Piezoelementen gemessen.
Dehnungsmessstreifen kann man sich als einen feinen Draht vorstellen aus speziellem Metall, der meist zu Gitter in eine Art Klebstreifen gelegt ist. Der Draht hat die Eigenschaft, dass er bei Verformung (durch eine Kraft) seinen elektrischen Widerstand ändert. Exotisch? Nein, gar nicht. Dehnungsmesstreifen finden sich fast in jeder Haushaltswaage.
Piezoelemente sind kristalline Substanzen ("Kristalle") oder eine Art Keramik. Sie haben die Eigenschaft, dass sie, wenn sie durch eine Kraft gestaucht werden, eine elektrische Spannung generieren. (Umgekehrt geht auch: legt man an ein Piezoelement eine elektrische Spannung an, verändert das Material z.B. seine Länge).
Wo wird die Kraft gemessen?
Intuitiv würde man denken, dass man die Kraft am Pedal messen müsste. Schliesslich "drückt" und "zieht" man an der Pedale. Das Pedal ist also der Ort des Geschehens. Interessanterweise hat es recht lange gedauert, bis Messsysteme auf den Markt kamen, die genau diese Kraft messen (GarminVector, resp. Look (Keo Power) oder Powertap Pedale). Die Pedalsysteme erlauben es das linke und rechte Pedal separat auszumessen, das heisst, man sieht, welcher Anteil an der Gesamtleistung vom einen oder anderen Bein kommt, und je nach System, sieht man auch "die Effekte eines runden Tritts".
Bei Garmin erfolgt die Messung erfolgt via Piezoelemente, und diese sitzen in der Achse des Pedals und sind daher in der Lage die Verwindungskräfte in jeder Tretphase zu messen (Druck und Zug).
Als nächstes wird die Pedalkraft auf die Kurbel übertragen. Welche Kraft wirkt also auf die Kurbel, respektive den Kurbelstern? Kraft, die auf ein sich drehendes System wirkt erzeugt ein Drehmoment. Die Messung des Drehmomentes erfolgt über ein Dehnungsmessstreifen. Aus der Umdrehungsgeschwindigkeit der Kurbel und der Höhe des Drehmomentes wird die erbrachte Leistung berechnet (Drehmoment MAL Winkelgeschwindigkeit). Systeme auf dem Markt: SRM, Quarq SRAM, Powertap und Rotor. Bei Rotor erlaubt das System eine Justierung der ovalen Kettenblätter auf maximalen Output.
Schliesslich wird die Kraft über die Kette und die Ritzel auf die Hinterradnabe übertragen. Mit dem gleichen Messprinzip wie bei der Kurbel kann das Drehmoment der Hinterradnabe gemessen werden. Die Leistungsmessung via Hinterradnabe hat -logischerweise- den Nachteil, dass Abweichungen durch unterschiedliche Übersetzungen entstehen, und dass Natürlich Kraft über die Kette/Ritzel verloren geht. Prominentes Produkt ist das Produkt von Powertap.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass schon versucht wurde, die Kraft über die Vibration der Kette zu messen. Das Prinzip war aber zu störungsanfällig und die errechneten Leistungsdaten zu ungenau.
Vor- und Nachteile der Messsysteme
Sowohl Nabe als auch das Pedal haben zumindest in Einem einen deutlichen Vorteil: Recht schnell ist das Hinterrad oder das Pedal von einem Velo auf das andere gezügelt. In Minutenschnelle hat man also aus dem Trainingsrad das Wettkampfrad gemacht. Die Systeme unterscheiden sich hinsichtlich Preis, Zusatzgewicht, Radcomputer (eigener oder kompatibel mit ANT+ fähigen Systemen), und Auswertung (links / rechts). Untern stehend eine Zusammenfassung. Willst du es genauer wissen, höre dich doch in dieses Video hinein. Das Video erwähnt auch Systeme, die ich unten nicht weiter im Detail anspreche. Das Video geht auch gut auf die zugehörigen oder kombinierbaren Radcomputer ein.
SRM: Kaum ein Profi, der nicht schon mit einem SRM System gefahren wäre. SRM ist wirklich der Pionier. SRM misst die Leistung super genau mit 8 Dehnmesstreifen auf dem Kurbelstern zwischen Kettenblatt und Innenlager. Umbau ist für fast jedes Rad/Kurbel (Rennrad oder MTB) möglich, allerdings hat das ganze seinen stolzen Preis. Topkurbeln lassen den Preis schnell bis auf mehr als 4000sFr* steigen. Zu erwähnen ist, dass eine hohe Genauigkeit v.a. bei extrem hohen Wattzahlen relevant ist.
Powertap/CycleOps (Hometrainer): Bietet verschiedene Naben (Powertap G3) an (verschiedene Gewichtsklassen). Damit ist sogleich auch der grösste Nachteil erwähnt: Das Zusatzgewicht am Hinterrad. Preis: ca. 1200 sFr (Keramiknabe ca. 1700 sFr.)*. Powertap verfügt neu aber auch über Pedalsysteme (siehe unten) und Kurbelmessysteme (Powertap C1). Interessant ist einerseits der Preis, andererseits auch, dass die Kurbelsysteme ebenfalls eine getrennte Auswertung Links/rechts erlauben und schnell demontiert sind. Hier ein Kurzvideo zu Powertap Produkten.
Quarq SRAM,: ähnlich wie SRM, doch stehen weniger kompatible Kurbeln zur Verfügung. Dafür kann die Batterie im Gegensatz zu SRM selbst gewechselt werden und das System kann über einen ANT+ fähigen Radcomputer, der für die Leistunsmessung gerüstet ist, betrieben werden. Kostenpunkt: SRAM Red 50/34 Quarq ca. 2000 sFr
Look Keo Power / Garmin. Die Pedalmessysteme. Während das Lookpedal zusammen mit Polar entwickelt wurde, funktioniert Garmin mit allen ANT+ fähigen Radcomputer. Links und Rechts-Auswertung, geringes Zusatzgewicht (im Bereich der sehr teuren SRM-Systemen). Als Nachteil ist die Störungsanfälligkeit (bei sehr ruppigen Strassen) zu erwähnen, das heisst Schläge können "Ausschläge" in der Leistungskurve verursachen. Diese wegzuglätten, dazu ist die Software teilweise in der Lage. Hier klicken für ein Video zum Garmin Pedalsystem. Ebenso interessant: Dieses Video zu Leistungsmessung mit Vector. Der Vector funktioniert z.B. mit Garmin Geräten wie Edge 500, 510, 800 und 810 und allen ANT+ fähigen Radcomputern. Kostenpunkt: ca. 1400 sFr*. Das allerneueste Keo/Look Pedal kostet ca. 2000 sFr*. Vorteil ist hier der extrem geringe Stromverbrauch. Interessant das ganz neue Powertap Pedal P1. Alles ist im Pedal verpackt, damit ist es sehr leicht von einem Rad auf das andere gewechselt. Es ist etwas schwerer als Vector, dafür das günstigste Powerpedal.
*alle Preise sind CIRCA-Angaben. Der genaue Verkaufspreis hängt von der aktuell gewählten Option/ resp. vom Typ ab.
Training
Wir haben also gelernt, dass die Wattmessung DEINE LEISTUNG misst, also misst, was DEINE Muskelkraft zu bewegen vermag. Ein Watt ist ein Watt: Ob du mit einem schweren Rad langsam berghoch fährst, oder mit einem leichten schneller.. Pro Zeiteinheit erbringst du womöglich gleichviel Leistung (kommst aber mit dem schwereren weniger weit).
Demgegenüber liefert die Herzfrequenz Informationen, welche Auswirkungen die geforderte oder unmittelbar erbrachte Leistung (Zeitverzögerung!) auf deinen Körper hat.
Wie lässt sich mit diesen Informationen ein Training steuern?
Eine wichtige Grösse im wattgesteuerten Training ist die FTP. Die sogenannte "Functional Threshold Power", Funktionsleistungsschwelle auf Deutsch. Das ist diejenige maximal mögliche Leistung, die man 45-60 Minuten aufrechterhalten könnte. Aus der FTP kann man Trainingszonen errrechnen, ähnlich wie beim pulsgesteuerten Training. Die FTP bestimmt man entweder auf einem Indoor Bike mit Wattmesser (das würde ich empfehlen), oder draussen auf einer flachen (oder maximal 1-2% steilen) Strecke, wo man für mindestens 20 Minuten lang möglichst ungestört ist. Wichtig ist, dass man das Testprotokoll genau einhält. (Hier klicken für das Testprotokoll). Im Prinzip hat man eine intervallmässige Aufwärmphase, die gefolgt wird vom Hauptteil, der ebenfalls mit einem Intervall eingeleitet wird. Anschliessend geht es 20 Minuten so richtig zur Sache. In den ersten 5 Minuten bleibt man noch etwas unter dem gefühlten Maximum, dann steigert man über 10 Minuten. Die letzten 5 Minuten sollten alles aus einem herauspressen. Anschliessend erfolgt die Abkühlungsphase. Ermittelt wird die FTP aus der Durchschnittsleistung der harten 20 Minuten.
Wichtig ist es, den Radcomputer abzukleben, weil v.a. die Pulswerte auf die man gewohnheitsmässig schielt die Leistung beieinflussen. Wenn möglich sollte man nur die Zeit (akustische Signale für die Phasen, Protokoll speichern) und eventuell die Trittfrequenz (als Motivationspunkt, diese zu halten!) sehen können.
Aus der FTP ermittelt man dann die anzustrebenden Wattzahlen für das Erholungstraining, das aerobe Ausdauertraining, den Entwicklungsbereich, das Schwellentraining, für die Entwicklung der VO2max und für die anaerobe Kapazität.
Bereich |
% der FTP |
FTP=250 W |
Erholungstraining |
<55% der FTP |
<137 Watt |
Ausdauer |
56-75% FTP |
140-187 Watt |
Entwicklungsbereich |
76-90% FTP |
190-225 Watt |
Schwellentraining |
91-105% FTP |
228-263 Watt |
VO2max: |
106-120% FTP |
265-300 Watt |
Anaerobe Kapazität: |
121-150% FTP |
303-375 Watt |
FTP und Watt-Trainingszonen versus aerob-anaeroben Grenze und Herzfrequenzzonen
So weit so gut. Was heisst das jetzt? Was, wenn überhaupt etwas soll an DIESEN Grenzen besser als sein an den Pulsgrenzen für Erholung, GA1, GA2...etc.? Und.. entsprechen sich die Bereiche nicht etwa?
Natürlich gibt es eine Art Entsprechung im mittleren-tiefen Bereich, es gibt aber keine Entsprechung im intensiven-hochintensiven Bereich: VO2max (bis 20% höher als Schwelle) oder Anaerobe Kapazität (bis 50% höher als Schwelle). Dies natürlich darum, weil im hochintensiven Bereich (+150% der FTP!!) ja nur ultrakurz gearbeitet wird. Damit wird auch der Vorteil klar: Um in diesem Bereich MESSBAR zu arbeiten, ist ein Leistungsmesser notwendig. Logischerweise kann im anaeroben Bereich NICHT mit der Herzfrequenz gearbeitet werden, nicht nur, weil sie nicht schnell genug ansteigt, sondern weil ja diese maximale Leistung ja auch anaerob erfolgt, das heisst, weil der angelieferte Sauerstoff bereits maximal genutzt wird, resp. die Herzfrequenz praktisch nicht mehr ansteigt.
Die Entsprechung? Die FTP liegt ca. im Bereich der aerob/anaeroben Schwelle (IAS), bezieht sich aber auf ein "anderes System". Die IAS ist ja dort, wo der Körper nicht mehr genug Sauerstoff bereitstellen kann, um die Energie aus Fett und Glukose durch Verbrennung mit Sauerstoff bereitzustellen (komplette Verbrennung). Andere Systeme müssen jetzt herangezogen werden, diese sind aber einerseits schnell erschöpft, und weil die "Verbrennung" (wegen Sauerstoffmangel) nicht mehr vollständig erfolgt (vollständig heisst, dass Fett und Glukose zu Kohlendioxid werden), sammeln sich Abbauprodukte (Milchsäure = "Laktat") an. Mehr dazu findest du in meinem Artikel zu Conconi - Fragen & Antworten. An der Schwelle sind Bildung und Abbau von Laktat im Gleichgewicht. Es ist aber ein "subtiles" Gleichgewicht, das mit der Erschöpfung der Ressourcen (v.a. Glukose) über die Zeit zunehmend schwerer wird aufrechtzuerhalten. Das heisst mit anderen Worten auch, dass das "subtile" Gleichgewicht aus dem Ruder gerät, wenn entweder mehr Leistung verlangt wird, oder wenn nicht mehr genügend Ressourcen vorhanden sind.
Wattmessung für deine Performance und Entwicklung
Wattmessung ermöglicht zu erkennen, wo der limitierende Faktor für deine Weiterentwicklung liegt und ein Training, das sowohl Watt wie auch die Herzfrequenz misst, lässt dich die wirklichen Fortschritte erkennen.
Ein Conconi-Test (oder Laktatstufentest) zusammen mit Beobachtungen (z.B. an Rennen) liefern zwar oft schon Hinweise, wo die limitierenden Faktoren liegen könnten. Aber wie die Situation wirklich ausschaut, diese Information liefert dir vor allem die mit der Herzfrequenz gleichzeitig erfasste Leistung unter realen Bedingungen.
Beispiele:
Geht dir in einem Zeitfahren das "Benzin aus"? Bei welcher Leistung musst du eine Gruppe ziehen lassen? Bei welcher durchschnittlichen Leistung im Aufstieg kannst du 2 (3?) lange Berge hintereinander noch bestmöglich fahren? Wie kannst du das verbessern? Und nach den eingeleiteten Massnahmen: Was haben die Veränderungen gebracht?
Oder auch: Bei welcher Trittfrequenz bringst du die optimale Leistung (über 1 Stunde, 2 Stunden oder mehr als 2 Stunden)? Was könnte drin liegen, wenn du die Defizite im schwächeren Bein ausgleichen könntest?
Verbratest du dich, weil du zu schnell in Hügel hinsprintest und nachher dafür büssen musst? Wäre gleichmässiger fahren für genau dich besser?
Vielleicht fehlt dir z.B. nach Wettkämpfen auch ein Gefühl dafür, wo deine Leistung einzuordnen ist. Zeit und Rangierung sind oft nicht aussagekräftig. Bist du die Strecke schon gefahren, kannst du die Leistungskurven übereinander legen. Du siehst dann, ob du in den Antritten an Leistung verloren hast, oder ob Deine Leistung über die Distanz besser oder schlechter war. Und du wirst auch sehen können, wie lange du im Stande warst, deine FTP-Leistung zu erbringen, alles im Vergleich natürlich.
Die oben genannten Ausführungen bedeuten auch:
Wattmessung macht dich nicht einfach besser. Die Auswertung und die Analyse, sowie die darauf beruhenden Massnahmen können dich aber entscheidend weiterbringen.
Weitere Aspekte: Training und Ermüdung / Neue Konzepte
Training und Ermüdung: Berücksichtigt man zusätzlich zur Herzfrequenz auch die Leistung, sind massgeschneiderte und ausgeklügelte Trainingskonzepte möglich, die auch der Ermüdung des Körpers Rechnung tragen. Nimmt in einem Trainingslager z.B. die Herzfrequenz ab (körperliche und mentale Erschöpfung), kann man die Leistung gezielt und strukturiert ebenso sukzessive nach unten korrigieren. Man geht im Traininglager auf diese Art und Weise mit dem Körper mit und vermeidet ihn komplett auszulaugen. Ein interessantes Video zu diesem Aspekt findest du hier. (Besonders empfehlenswert, wenn du nach der Winterpause "in klassischer Manier" ein Trainingslager im Frühling geplant hast..).
Natürlich ist die Wattmessung in Zusammenhang mit den eher jüngeren Trainingskonzepten (hochintensive Intervalle) bedeutsam geworden: Auf Grund der Trägheit ist die Steuerung solcher Einheiten über die Herzfrequenz nicht möglich.
Hochintensive Intervalle heisst: Vollvollgas. 10 oder 40 Sekunden lang. Egal wie kurz oder lang man sich gequält hat, eines bleibt niemandem erspart: Nach wenigen Minuten muss man wieder antreten. Denn nur so wird aus dem hochintensiven Training auch ein hochintensives Intervalltraining. Nach jeder Belastung folgt eine Phase der Erholung, nicht der vollständigen Erholung allerdings. Nur so wird der beabsichtigte Trainingsreiz gesetzt.
Die Wissenschaft schreibt diesem Training grosse Wirksamkeit zu. Durch die extrem hohe Intensität wird der Körper gezwungen, nicht nur die anaerobe Energiebereitstellung zu optimieren, sondern offenbar auch die aerobe, inklusive Fettstoffwechsel. Diese Tatsache ist sehr erstaunlich, aber wissenschaftlich belegt.
Natürlich ist diese Traininsform interessant, weil damit viel Zeit gespart werden kann. Interessant ist die Trainingsform auch, weil sie -obwohl sie bedrohlich tönt- den Körper eher vor Übertraining bewahrt. Übertraining wird heute eher als die körperliche Anpassung an die Monotonie langer und erschöpfender Trainingseinheiten verstanden, mit negativen Auswirkungen auf hormonelle Systeme und Psyche.
Wichtig ist bei der Wattmessung und dem Training ist die durchschnittlich erbrachte Wattzahl. Am besten lassen sich Trainingsvorgaben daher auf der Rolle resp. auf dem Ergometer oder auf einer ebenen Strecke befolgen. Darum möchte ich das Thema Indoor und Watttraining gesondert aufnehmen.
Indoor
Macht Watttraining Indoor Sinn?
Und.. wie!
Das Messen der Leistung im Training dient dazu, die Trainingsintensität und -dauer gezielt zu dosieren und Reize zu setzen, die vor allem durch Belastungswechsel (hohe Leistung - niedrigere Leistung) erzielt werden, wobei die Leistung wiederum durch hohe oder mittlere oder gar niedrige Kadenz erbracht werden kann.
Je nach Trainingsziel eben, respektive, je nach den zu verbessernden Individuellen Schwachpunkten oder dem aus den Daten ermittelten Entwicklungspotenital. Das gezielte Stärken des schwächeren Beines, sei auch erwähnt. Oder generell das Verbessern des "runden Trittes".
Sowohl das Fahren innerhalb eines bestimmten Wattbereiches, als auch Übungen mit Belastungswechsel durchzuführen, Spiele für die Verbesserung des "runden Trittes" sind im Freien etwas schwierig durchzuführen.
Andererseits ist das Traininieren auf der Rolle oder auf dem Ergometer indoor einfach ätzend. Wer etwas anderes behauptet lügt einfach. Es ist ätzend, langweilig und schweisstreibend. Man kommt leicht in Motivationsprobleme. Zahlreiche Fahrer trainieren mit laufendem Fernseher, oder lesen während des Kurbelns sogar Bücher. Dass dies vertretbar ist, wenn man im Grundlagenbereich konstant fährt, ist leicht einzusehen. Ein intensiveres Training als Grundlage lässt sich so aber kaum qualitativ sauber durchführen.
Schon besser ist ein Trainingsprotokoll. Ein Trainingsprotokoll teilt die gefühlte Ewigkeit auf der Rolle in kleine verdaubare Häppchen. Und gibt bei jedem Häppchen, das erfolgreich abgeschlossen wird einen einem Facebook-Like ähnlichen kleinen Motivationsschub. Verschiedene Protokolle können dann auch für die notwendige Abwechslung innerhalb der Woche sorgen.
Voilà! Warum also nicht das eine mit dem anderen kombinieren? Indoor Trainieren und Wattsteuerung scheinen ja wie geschaffen für einander!
Indoorgeräte für das wattgesteuerte Training
Grundsätzlich eigenen sich alle Leistungs-Messgeräte für outdoor auch für das indoor Training, sofern man auf einer Rolle trainiert. Die Frage ist eher, ob die Rolle geeignet ist, um die geforderten Widerstände für das Training zu liefern. Viele Rollen sind gut brauchbar, mit Einschränkungen hinsichtlich Sprinttrainings (reissen am Fahrrad... zu leicht!!) oder betont niedrige Drehzahlen und hohe Lasten (Berg-Kraftausdauer). Ausprobieren! Abstriche muss man beim Rollentraining aber immer machen: Entweder ist das Fahrgefühl gewöhnungsbedürftig (unbedingt ausprobieren: nichts ist schlimmer als zuviel "Schlupf") oder sie sind zu laut, oder der maximale Widerstand/Trägheit/konstanz des Widerstandes lässt nicht alle Trainingsformen zu. Schliesslich ist "aus dem Sattel gehen" eher schwierig.
Viele Rollentrainier mit elektronischer Anzeige geben auch die Leistung in Watt auf an. Doch steckt darin oft keine richtige Mechanik (also Messung der Kraft mit Dehnungsmesstreifen/Piezokristallen), sondern Rechenmodelle. Solche Werte können mitunter ganz erhblich von der Realiltät abweichen. Nicht immer finden sich in den Spezifikationen der Hersteller genaue Angaben zum Messprinzip. Vorsicht ist also angebracht. Abweichungen von 20% sind laut Literatur gang und gäbe, wenn man Leistungsmesser (Pedal, Kurbel, Radnabe) mit den Werten der elektronischen Anzeigen vergleicht. Das ist zu viel. Wenn man schon nach Watt trainiert, so sollte der Wert auch zuverlässig sein (max 2-5% Abweichung!). Zuviel Unsicherheit an der Qualität der Daten raubt die Motivation!
Eine Sonderform der Rolle ist die direkt angetriebene Bremse. Hier wird der Trainer ("die Rolle, die keine ist") anstatt des Hinterrades in das Velo eingebaut, und die Bremse wirkt über das Ritzelpaket. Der Vorteil ist schlupffreie Kraftübertragung und damit ein realistisches Fahrgefühl. Die Wattmessung ist sehr genau und die Bremsleistung kann einen Berg realistisch vortäuschen. Das Standard-Gerät (Cyclus-2) hat allerdings seinen stolzen Preis: Mehr als 8000 sFr!!! Deutlich günstiger der Kickr-Trainer von Wahoo, der zudem mit einer interessanten, erweiterbaren Software daherkommt. Der Trainer lässt sich klein zusammenlegen (Preis ca. 1500 sFr.).
Die Königsklasse? Zweifelsohne das WATTBIKE. Ein hochwertiger Ergometer, ein "Spinningvelo". Er lässt keine Wünsche offen, weder bezüglich Bremsleistung noch Fahrgefühl. In Trainingszentren ist das mit echter Messtechnik ausgestattete Gerät erste Wahl. Es ist auch schwer genug, um Sprinttrainings zu ermöglichen. Das Gerät wurde auf Anforderung des englischen Radsportverbandes konzipiert, der ein erschwingliches Hochleistungsgerät für die Athleten wollte. Voll gelungen kann man sagen. Mehr Ergometer für's Geld bietet niemand (Preis: ca. 3600 sFr., voll montiert und angepasst). Das Rad beinhaltet zahlreiche Übungen und Programme für das wattgesteuerte Training. Zudem ist eine links-rechts Auswertung der Kraft möglich. Natürlich auch Auswertungen und Kompatibilität mit allen ANT+ Geräten. Alles was es braucht also!
Ich bin sehr stolz darauf, Wattbike als erster in die Schweiz zu importieren.
Zusammenfassung
Wattmessung ist eine gute Sache, finde ich.
Doch eines muss gesagt sein: Interesse, Engagement und etwas Trainingswissen und/oder einen Berater an der Seite sind wichtige Voraussetzungen, um aus den ermittelten Daten die richtigen Schlüsse ziehen zu können.
Denn wo fleissig Daten gesammelt werden, stellt sich nämlich immer die Frage, was man mit den Zahlen denn eigentlich anstellen soll. Ohne Interpretation sind sie wertlos! Die blosse Protokollierung hat höchstens soviel Unterhaltungswert wie die Durchschnittsgeschwindigkeit.
Wattmessung dient dazu Erfahrungen zu Sammeln bezüglich Körper und Leistung. Es ist nicht ein Gerät, das man „zum Aufzeichnen“ der Trainingseinheiten verwendet, sondern ein Gerät mit dem man auswertet und vergleicht. Ein Gerät das einem Referenzwerte gibt, und zeigt ob Veränderungen/Massnahmen einschlagen oder nicht. Es ist ein Gerät zur Steuerung. Steuerung bedeutet aber auch: Man braucht Motivation und Biss.
Es ist ein Gerät, dass dich aus der Komfortzone des Dauertrainings im Wohlfühlbereich herausbringt und dich in Grenzbereiche führt, die du dir intuitiv nicht einfach so antun würdest. Damit eröffnet es dir eine neue Dimension und die Chance zu einer wirklich entscheidenden Entwicklung. Komm doch bei mir im Shop vorbei, gerne berate ich dich.